portugal 2004 - europameisterschaft der begeisterung und der begeisterten

[05.07.2004]


überraschend von beginn an, voller erwartungen und ängste, schockierender niederlagen und berauschender triumpfe. die euro 2004 in portugal stellte wohl alle großen turniere der letzten zehn jahre (oder mehr noch) in den schatten. nicht zuletzt weil die großen - neben verlieren können - von den kleinen eines zu lernen bekommen haben: die begeisterung und den unbedingten willen. vor dieser überwältigenden kraft war kein "star" sicher, nicht marktikone beckham, nicht rohrspatz vieri, nicht das ewige talent raul und nicht zauberer zidane. andere spielten die schönen töne, andere spielten fussball, den schönen fussball, den schlauen fussball, und nur zwei favoriten hielten zunächst stand, die portugiesen und die tschechen.

es war die große bühne, die gala, das fussball cannes für die neuen und alten, die man nicht unmittelbar auf der rechnung hatte. ein junger wayne rooney begeisterte, ein alter henrik larsson brillierte, ein junger ronaldo düpierte und ein alter figo rackerte. erfolg ist mit sicherheit nicht die summe richtiger entscheidungen, aber der wille dazu, der den man von beginn an sieht, ein wichtiger schlüssel dazu. so konnte man schon nach dem zweiten spieltag sehen, wer steigerungsbedarf hat, oder aber für wen die spirale abwärts dreht.

eine bilanz des turniers: den franzosen merkte man durch und durch angst und unglauben an. ein wunder wie sie es durch die vorrunde schafften. den spaniern fehlte es traditionsbewusst an cleverness und auch an abwehrspielern. wir werden es wohl nicht mehr erleben, dass die einen titel holen. die italiener fielen durch orale entgleisungen in feuchter (totti) und menschenverachtender (vieri) form auf. positiv mit sicherheit die inbrunst mit der die hymne arienhaft gesungen wurde. und negativ eigentlich alles was nach der hymne kam. die von trappatoni "gesuchte perfektion" wurde nur im auslassen von chancen erreicht. ibrahimovic hieß endstation.

die deutschen reihten sich im endeffekt dahinter ein. alles was im ersten spiel klappte wurde turniermannschaftsmäßig negativ abgebaut. der feststellung der großen chance auf ein weiterkommen folgte dann eine fastverweigerung gegen die einzige b-elf des turniers, die sogar von lettland geschlagen worden wäre. die müde truppe verpasste in jedem spiel zu oft das tor und vor allem den sieg, der immer drin war. die abwehr hielt genau 83 minuten bei diesem turnier. der zweite punkt wurde uns geschenkt. die holländer taten uns im folgenden weitere gefallen, aber 20 minuten milan baros - so weit sind wir wohl noch nicht. rudi völler, michael ballack und phillip lahm, die wohl souveränsten und besten der truppe sehen deutschlands nationalmannschaft wohl genau da wo sie zur zeit steht, in den zweiten top ten europas, wohl nur vor lettland, bulgarien und der schweiz knapp hinter kroatien.

zwei von 24 deutschen, schiri merk und könig otto schafften es sogar ins finale. der rest fiel dem vorrundenschwund zum opfer. und ist alles finster und gar grausig in der bilanz für unser land, so muss wohlwollend eingeräumt werden, die letzten acht waren allesamt, sogar auch holland, besser als die adler-elf um rudi völler.

aber wer war gewinner dieser em? da kann man im kleinen anfangen. die kroaten ärgerten england und frankreich. die schweden spielten besten konterfussball. die dänen zeigten sich mal wieder von besten taktischen seiten. die tschechen stellten die beste a- und b-elf des turniers. die holländer können jetzt auch elfmeterschiessen und mehr als einen verwandeln bei vier versuchen (euro 2000 gegen italien 1:3 n.E.). die finalisten wie für finalisten üblich sind natürlich die größten gewinner. griechenland verliert nur gegen "kleine" mannschaften wie russland, erzielt italienisch knappe siege mit kontrollierter offensive - "otto-naggio" - weil das das ist "was jeder kann" bei den griechen (rehhagel). in portugal ist ein spiel gegen spanien für einen kolonialbewussten herrn scolari "krieg" und gefangene werden bis zum finale nicht genommen. pro spiel stieg aggression und leidenschaft, das im logo verankerte fussballherz glühte mehr und mehr. wer hätte gedacht das am 12.06.2004 um 18.00h nicht nur das turnier beginnt, sondern eine gelungene probe fürs finale stattfinden würde.

und so manche bilder bleiben haften, momente und eindrücke für die es weder geld noch mastercards gibt:

das schönste und einzige eigentor von andrade (tor zum 1:2 für holland gegen portugal). die bebende querlatte nach einem 35 meter nedved geschoss. drei minuten milan baros gegen dänemark zu sehen, der mit selbstverständlichkeit immer trifft wenn er es versucht. ein pass von karel poborsky um den gegner herum in den lauf. das fast 80 meter tor gegen jörg stiel (kroatien-schweiz). das kopfballtor von jörg stiel für england. das rücken tor von van der sar nach elfmeter. zidanes freistoss kurz vor schluss gegen england. holländische kinder mit star trikots. phillip cocus augen, die holländische drogenpolitik allgegenwärtig zu machen scheinen. phillip lahms nachname und seine dem trotzende schnelligkeit. der "peitschenhieb"-name des bulgarischen torhüters. otto rehhagels sprints über den platz nach einem knock-out 1:0 sieg.

andere bilder und momente hingegen haben uns traurig gemacht:

das unglückliche ausscheiden von schweden mit tränen. pavel nedveds verletzung im halbfinale. wolf dieter poschmanns unkonzentriertheitheiten in der moderation. der steinbrecher vom dach mit "gestriegelter" pedanten pfeife an der seite. beckmanns "ja mensch kinder" sowie seine übersetzung jeglicher nationalhymnen. die einblendung der ard-hotline die ein drittel des bildes mit dem dümmsten angebot der em verpesteten. die hektische "weltregie" an den ersten drei / vier tagen mit millisekunden aufstellungseinblendungen. der stereotype paolo, der südfranzösich akkzentuiert banalste fragen des regelwerks beim platzpflegen abfeuerte. die ratlosen menschen wie du und ich, rettungshelikopter-flieger, taxifahrerrinen, kapitäne (warum nicht gleich astronauten), die sich fragen, wo sie beim letzen titel der andorraner, maltesen oder doch der deutschen gewesen waren. jegliche form von füllsel unterhaltung am wegesrand einer 4 stunden pro spiel sendung. sei es nun "ballkontakte" mit der erwartet enttäuschenden zunft der spielerfrauen oder ehemaliger nationalspieler, die von zeiten schwärmen in denen sie wohl auch nicht spannender waren als sie sich jetzt gebären. oder sei es gar "nachgetreten", eine sendung im zdf, die das wort existenzberechtigung via ausschlussverfahren definiert. wer fussball mag, kann darüber nicht lachen, wer fussball nicht mag, guckt an diesen tagen nicht zdf.

auch wenn wir portugal von beginn des turniers an alle daumen gedrückt haben, diese em kannte nur würdige gewinner, begeisterte mannschaften mit herz und verstand die sich zurecht im finale und als europameister wiederfanden. und wie vor zwei jahren als die deutschen und die türken bei der wm hierzulande auf den strassen feierten, bleibt es auch schön, die griechen ausgelassen feiern zu sehen.


[jw]



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